· 

Väter und Töchter

Okay Girl, let's talk about your Dad...

 

Welche Bedeutung haben Väter für Töchter? Welchen positiven aber auch negativen Einfluss können sie haben? Inwiefern prägt das Verhältnis zum Vater vielleicht auch das eigene Männerbild der Töchter und ihr Vertrauen in die Welt?

Die Autorin Susann Sitzler arbeitet in diesem Buch ihre persönliche Beziehung zum eigenen Vater und Stiefvater auf und spricht mit Vätern aus ihrem Umfeld über die Beziehungen zu ihren Töchtern. Neben den persönlichen Ausführungen gibt sie immer wieder Exkurse in die Väterforschung und bezieht Erkenntnisse aus Psychologie und Soziologie mit ein. Daraus ergibt sich ein vielfältiges Bild der Vater-Tochter-Beziehung, in dem man sich als Leser*in suchen und vielleicht auch finden kann.

 

Väter zeichnen sich leider noch häufig durch ihre Abwesenheit aus, ob nur emotional oder auch physisch. Die Väterforschung ist noch ein relativ junges Gebiet, in dem sich zeigt, welchen Einfluss Väter auf ihre Kinder haben, ob sie nun anwesend sind oder nicht. Der Autorin zufolge können Väter ihren Töchtern eine gute Grundlage für Vertrauen und Selbstsicherheit legen, aber sie können diese ebenso gut erschüttern. Wenn Väter ihren Töchtern als empathischer Verbündeter begegnen, eröffnet das einen großen Raum für eine gute Beziehung auf Augenhöhe. Dazu gehört aber auch, dass Töchter sich von der verklärten Idealisierung des Vaters lösen und sich damit auch emanzipieren.

 

Aber nicht nur haben Väter einen Einfluss auf ihre Töchter, sondern auch umgekehrt. Das zeigt sich besonders in den Gesprächen der Autorin mit ihr bekannten Vätern. Sie erzählen, wie ihre Töchter ihren Blick auf die Welt und auch auf die Verhältnisse der Geschlechter prägen und in ihnen das Bewusstsein für die Realität von Frauen schärfen.

 

Die Autorin blickt kritisch auf die einschränkten konventionellen Rollen von Vaterschaft und wirbt für einen erweiterten Blick darauf. Dazu gehört etwa auch das emotionale Engagement von Vätern und die Loslösung vom Patriarchen der Familie, was in den letzten Jahren deutlich zunimmt. Die Auflösung der Geschlechterrollen und der traditionellen Familienbildern eröffnet auch die Möglichkeit auf neue Arten der Beziehungsgestaltung zwischen Vätern und Töchtern. Dennoch bewegt sich die Autorin weitgehend in einer Cis-Hetero-Perspektive auf Beziehung, aber auch die Forschung geht auf Realitäten abseits der Norm nur am Rande ein.

 

Die Vaterforschung ist noch ein relativ junges Gebiet und auch sonst sieht es zu Literatur zu Vater-Töchter-Beziehungen eher dünn aus. Mich persönlich hat das Buch sehr angesprochen, da ich von meinem zehnten Lebensjahr an alleine bei meinem Vater aufgewachsen bin und wir eine sehr enge Beziehung haben, wenn auch eher wortkarg. Schweigende Väter scheinen aber wohl keine Seltenheit zu sein. An vielen Stellen war ich emotional sehr berührt, weil mir immer wieder ähnliche Situationen in den Sinn kamen, wie sie die Autorin geschildert hat. Als es am Ende über den Tod des Vaters ging, floss da auch das ein oder andere Tränchen.

 

Durch die vielfältigen Blickwinkel auf die Beziehung von Vätern und Töchtern bietet das Buch die Möglichkeit sich mit der eigenen auseinanderzusetzen, sowohl als Tochter als auch als Vater. Daher finde ich das Buch empfehlenswert für Frauen, die die Prägungen und die Beziehung zu ihrem Vater reflektieren möchten, aber auch für alle (werdende) Väter, um ihren Einfluss wahrzunehmen und selbstreflektiert zu gestalten.


Väter und Töchter

von Susann Sitzler

erschienen 2021 im Verlag Klett-Cotta

Kommentar schreiben

Kommentare: 0