· 

Die Erschöpfung der Frauen

"Ich wäre manchmal echt gerne ein Mann, Frau sein ist so anstrengend." 

Wer hat diesen Satz nicht schon einmal gedacht oder gesagt? Woher kommt es, dass die Geschlechtszuschreibung als Frau zu einem permanenten Erschöpfungszustand wird?

 

"Die Erschöpfung der Frauen" von Franziska Schutzbach zeigt den Zusammenhang zwischen Erschöpfung und Geschlecht auf unterschiedlichen Ebenen. Das fängt mit der Objektifizierung weiblichen Körper an, geht bei der Abwertung ihrer Existenz weiter und findet bei der Ausbeutung in übergreifender Care Arbeit seinen Höhepunkt.

 

 - unbezahlte Werbung - Rezensionsexemplar -


Erschöpfung ist kein Defekt des Individuum, sondern Auswirkung politischer, ökonomischer und kultureller diskriminerender Strukturen, die in verschiedenen Bereich des Lebens von Frauen hineinwirken.

 

In den Vorbemerkungen macht Schutzbach deutlich, dass wenn sie von der Erschöpfung der Frauen spricht, keine feste Kategorie meint, sondern die normative Definition der Gesellschaft. Diese zu reproduzieren ist aber notwendig, um das Problem und die Strukturen der Disktiminierung zu analysieren, die auf diese Kategorien rekurrieren. Sie geht dabei auch immer wieder auf intersektionale Aspekte ein und spricht von FINTA (Frauen, inter, nicht-binär, trans, a-gender)

 

Bereiche der Erschöpfung

 

1. Sexuelle Gewalt im Öffentlicher Raum

Frauen sind im öffentlichen Raum in einer durchgehenden Pass-auf-Haultung, werden mit Catcalling und anderem übergriffigen Verhalten konfrontiert und geraten in Situationen, die sie immer wieder einschätzen müssen ob es „nur“ unangenehm oder schon gefährlich ist. Gleichzeitig ist der öffentliche Raum einer, der Frauen lange vorenthalten wurde und den sie sich zunehmend aneignen und sich frei von Rollenansprüchen darin bewegen können und neue Lebens- und Bewegungsformen zu erproben.

 

2. Minderwertigkeit im Objektstatus

Woher kommen die Minderwertigkeitsgefühle mit denen viele Frauen in ihrem Inneren zu kämpfen haben? In der Geschichte wurde Frauen lange der Status als Subjekt abgsprochen, weibliche Realitäten, Erfahrungen und Gefühle sind von dieser Geschichte ausgeschlossen, sie wurden als das Andere definiert, Menschsein bedeutet Mannsein. Entgegen dieser Ignoranz werden Frauen ständig begutachet, bewertet vom männlichen Blick, den sie auf sich selbst übertragen und sie gegeneinander ausspielt. Aber die Aktivität von FLINTA verändert das, indem sie mehr Repräsentation und Vielfalt fordern und solidarische Geminschaften gegen diese Autorität bilden.

 

3. Abwehr und Hass

Emanzipation trifft immer wieder auf viel Abwehr und extreme Anfeindung, was feministische Kämpfe erschöpfend macht. Dabei sind sie immer wieder mit tief misogynen Angriffen konfrontiert. Das Aufbrechen der Normen schürt Angst bei denen, die davon profitieren.

 

4. Schönheitsideale

Frauen setzen sich einer durchgehenden Selbstbeobachtung und Bewertung ihres äußeren aus. Die Objektifizierung und Beschämung von außen haben sie internalisiert. Diese dauernde Beschäftigung schwächt ihren Selbstwert und schwächt ihre Kraft mit ihrem Körper andere Dinge zu tun, als ihn ständig zu perfektionieren.

 

5. Druck der Mutterrolle

Mütter sind einem ständigen Druck ausgesetzt, alles perfekt zu machen, alle Verantwortung liegt bei ihnen. Das Glück des Kindes wird immer bedeutender, während die sozialen Hilfestellungen immer weniger werden. Von den meisten Frauen wird erwartet, dass sie Mutter sein wollen und es werdn, während anderen der Status abgesprochen wird.

 

6. Emotionsarbeit im Beruf

Der Berufsalltag ist für Frauen erschöpfend. Sie müssen sich nicht nur mehr beweisen als ihre männliche Kollegen, sondern zusätzliche Emotionsarbeit leisten. Die Karrierefrau erlaubt sich keinen Fehler, während migrantische Arbeiterinnen ausgebeutet werden. Die neoliberale Erzählung sieht das Glück und Versagen beim Individuum und schlägt Kapital aus Emotionen, mehr lächeln, statt sich aufregen und Veränderung bewirken. Pladoyer für mehr Wut und Negativität, denn daraus entstehen poltische Forderungen und Kollektive.

 

7. Care Arbeit überall

Frauen tragen in Beziehung den Löwenanteil der Arbeit, dazu gehört auch die emotionale Arbeit. All das zusammen ergibt einen durchgehenden Erschöpfungszustand, der nicht gesehen wird, weil Arbeit nur als produktive definiert wird. Reproduktive Arbeit bleibt unbezahlt und wird übersehen, als selbstverständlich den Frauen überlassen. Unser kapitalistisches System basiert auf der Allzuständigkeit von Frauen und der unbezahlten Arbeit, die sie tagtäglich bis zur Erschöpfung leisten. Feminisierung der Care Arbeit als Effekt und Voraussetzung des Kapitalismus

 

 

„Wenn Erschöpfung als geteite Erfahrung spürbar wird, bringt uns diese Erfahrung in ein Verhältnis und in eine Beziehung zu anderen. Und nur in Beziehung zu anderen können gesellschaftliche Strukturen verändert werden.“

 

 

Es geht letztlich nicht darum, wie wir mit dieser Erschöpfung produktiv umgehen können, um noch leistungsfähiger zu sein, sondern diese anzuerkennen und die Strukturen zu analysieren, aus denen sie hervorgeht, um dann gegen diese vorzugehen zu können. Wut und Empörung statt Ausgeglichenheit und Akzeptanz waren und sind der Motor politischen Handelns und Veränderungen.

 

Wir  brauchen eine Care-Revolution um Care Arbeit als das zu begreifen was sie ist, Arbeit, aber eben noch viel mehr, die Grundlage für ein Zusammenleben. Wenn wir Care Arbeit also nicht nur einem Teil der Menschheit in hohem Maße auferlegen, sondern sie ausweiten und aufteilen, profitieren wir alle davon und wirken der zunehmenden Erschöpfung entgegen.

 

Ein großer Teil der Erschöpfung rührt auch daher, dass die feministischen Kämpfe von FINTA immer wieder von vorne beginne müssen, weil ihre Geschichte ausgeblendet wird. Daher zeigt die Autorin auch immer wieder, was schon erkämpft wurde und worauf wir aufbauen können, um weiter zu kämpfen.

 

Fazit - 5/5 ⭐️

Dieses Buch kann ich sowohl für Neulinge als auch belesene Feminismus Häschen empfehlen.

Dabei habe ich viele bekannte aber auch neue Fakten gelesen, die in einem logischen Zusammenhang gesetzt wurden. Gerade der Bereich Erschöpfung wird immer mal wieder angeschnitten, aber doch nicht zureichend in seiner Fülle thematisiert. Schutzbauch schafft es hier unter diesem Schwerpunkt beeindruckend viele Themen aufzugreifen. Sie denkt dabei auch immer die intersektionale Perspektive mit, auch wenn sie diese selbst nicht einnehmen kann. Gerade am Ende fand ich es besonders interessant, im letzten Kapitel, wo es um Mental Load und Care Arbeit ging und im Ausblick hätte ich mir noch ein bisschen mehr Inhalt gewünscht. Ein wichtiges Buch, dass für mich definitiv einen Platz auf der Liste feministischer Klassiker und Leseempfehlungen findet.

 


Die Erschöpfung der Frauen

Wider die weibliche Verfügbarkeit

 

von Franziska Schutzbar

erschienen 2021 im Verlag Droemer

 

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0