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FRAUEN Literatur

Auf den ersten Blick sieht es gar nicht so dramatisch in meinem Regal aus, wenn ich alle Bücher umdrehe, die von einem Mann geschrieben wurden.

 

Aber wenn ich genauer hinschaue, sind es gerade die Bücher über Feminismus, Rassismus oder Psychologie, die noch übrig geblieben sind. Klassiker der Literatur sind kaum mehr zu sehen, von der Reclam Heften ganz zu schweigen.

 

Was schließen wir daraus?

 

Frauen haben eben damals keine bedeutende kunstvolle Literatur geschrieben und beschäftigen sich auch heute nur mit banalen Frauenthemen?



Mit diesen Vorurteilen gegenüber sog. Frauenliteratur räumt die Autorin Nicole Seifert in ihrem gleichnamigen Buch auf.

 

Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt. Das beschreibt ganz gut, was mit der Literatur von Frauen passiert ist und was zuletzt ihr Buch in Bewegung setzen will. Eine Wiederentdeckung schreibender Frauen, aber auch ein Verständnis dafür, das der Begriff "Frauenliteratur" unangemessen ist, denn er beruht auf misogynen Vorannahmen.

 

Frauenliteratur steht im Gegensatz zur eigentlichen Literatur, die von Männern geschrieben wird, das Allgemeine und das Andere. Themen weiblichen Schreibens seien unliterarisch und von minderer Qualität, seien höchstens für Leserinnen interessant. 

 

Diese Bewertung liegt mysogynen Vorannahmen zugrunde, sie beruht auf der Stigmatisierung von Frauen und ihrem künstlerischen Schaffen. Außerdem bezieht sich oft überwiegend auf außerliterarische Faktoren. Eine Frau wird nicht allein für ihre literarische Leistung bewertet, sondern erst einmal für ihr Dasein als eine Frau und ihr Schreiben als eine Frau.

 

Die Abwertung führt zu einer Unsichtbarmachung von Frauen in der Literatur. Es fehlen klar dokumentierte Traditionslinien weiblichen Schreibens, die Geschichte ist fragmentarisch. Das liegt aber nicht am Mangel von Autorinnen, sondern von ihrem aktiven Ausschluss aus dem Kanon, dass zunehmend zu einem Vergessen ihrer Werke in der Literatrugeschichte führt.

 

In meiner Büchersammlung zeigt sich ganz gut, welche Beachtung die traditionelle Literaturgeschichte Frauen geschenkt hat, nämlich so gut wie keine.

 

Gleichzeitig zeichnet sich ein Bild von einer besseren Zukunft und Gegenwart, in der Frauen die Aufmerksam für ihr Schreiben bekommen, das sie verdienen. Aber nicht nur sie, sondern auch andere in der Literatur marginalisierte Stimmen, wie etwa von Schwarzen, PoC und queeren Autor*innen.

 

Mein Regal ist der Ausdruck einer Literaturgeschichte, die auf dem aktiven Ausschluss von Stimmen aufbaut, die nicht cis-männlich und weiß sind. Damit entsteht nicht nur einen Lücke, die nicht nur Frauen ausblendet, sondern auch Schwarze, PoC und queere Autor*innen. Große Lücken, die weiter bestehen werden und immer größer werden, wenn wir nicht versuchen, sie im Kleinen zu schließen. Dazu können wir als Einzelpersonen bewusst mehr Bücher von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen lesen, auch mal eine andere Leseperspektive einnehmen. 

 

Nicole Seifert bietet in ihrem Buch eine Menge an Leseinspiration und auch auf ihrem Literaturblog @nachtundtag.blog gibt es davon zu Genüge.

 

Der einziger Kritikpunkt waren für mich die Quellenverweise, die ziemlich umständlich zuzuordnen sind. Seifert wiederholt sich zwar an manchen Stellen in ihrer Argumentation, das empfinde ich aber nicht für störend, sondern hilft im Lesefluss, die Argumente ständig präsent zu haben. Ihre Untersuchung ist sehr ausführlich und ihre Thesen beweist sie an mehreren Beispielen.

 

In Frauenliteratur wird Einiges gesagt, was schon viel zu lange unausgesprochen blieb. Es ist ein Buch, das hoffentlich einen Anstoß zu einen wirklichen Veränderung in der Literaturgeschichte gibt, indem mehr Aufmerksamkeit für die Stimmen geschafft wird, die so lange nicht gehört wurden, aber es mehr als verdient haben.

 

Nicole Seiferts Buch ist für mich ein absolutes Jahres-Highlight und findet hoffentlich seinen Eingang in viele Bücherregale, die dadurch immer diverser werden.


Frauenliteratur

Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt

 

Nicole Seifert

erschienen 2021

Verlag Kiepenheuer & Wisch

 

5/5 ⭐️


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