Das Leben im Zeichen des Klimaschutzes ist zu häufig an gesellschaftliche Privilegien geknüpft. Nur für wenige ist es finanziell möglich, auf ein E-Auto umsteigen, im Bio Markt einkaufen gehen und nachhaltige Baumwollshirts zu kaufen. Kapitalismus in grün funktioniert auch nicht anders, 1% profitiert und der Rest der Gesellschaft bleibt auf der Strecke, die 99%.
Milo Probst entwirft in seinem Buch die Idee eines Klimaschutzes, der von links unter heraus entstehen kann und diese 99% einschließt. Dieser Umweltschutz der 99% soll eine Verbindung zwischen allen anstreben, die auf unterschiedliche Weise zu unterschiedlichen Orten und Zeiten im Kampf gegen den Kapitalismus standen und stehen. Milo Probst nimmt uns mit auf eine historische Spurensuche, bei der er die Konturen dieses Programms in der linken Geschichte sucht und in Bezug zur Gegenwart setzt.
Der Umweltschutz der 99% ist antikapitalistisch, antirassistisch, feministisch, dekolonial, klassenkämpferisch und international. Diese Dimension veranschaulicht Probst in den einzelnen Kapiteln durch historische Beispiele.
Besonders spannend fand ich den Zusammenhang von Antirassismus und Umweltschutz und das Konzept einer Ökologie der Sorge durch die feministischen Bewegungen. Gerade der Feminismus legt die Krise des Kapitalismus offen, der sich nur dadurch weiter erhalten kann, das er sich auf unbezahlte Arbeit von Frauen und PoC stützt. Bei den anarchistischen Vorderker*innen entstand ein alternatives Konzept der Emanzipation, das sich nicht als Bindungslosigkeit und Uabhängigkeit von der Umwelt begreift, sondern gerade die Möglichkeit schafft vielfältige solidarische Beziehungen miteinander einzugehen und füreinander gegenseitig Sorge zu tragen.
Mit seiner gewandten und ausdrucksstarken Sprache schafft Probst es immer wieder auf seiner historischen Spurensuche, alte Geschichten und neue Visionen lebenedig zu machen. Aber durch die vielen Fachbegriffe gerde am Anfang eine sehr anspuchsvolle Lektüre, bei der man schnell den Zugang verlieren kann, wenn man nicht zu tief in der linken Materie und deren Begrifflichkeiten drin ist. Überwiegend liest es sich aber viel mehr wie ein spannende Geschichte, in der die fast vergessenen antikapitalistischen Kämpfe aufgegriffen werden und daraus eine neue Gestalt annehmen können.
Wir können von diesen alten Ideen und Versuchen lernen, es besser machen, wir können davon ausgehend ins Handeln kommen und kämpfen. Wir müssen wagen Umweltschutz für die 99% neu zu denken, außerhalb der Logik des Kapitalismus. Wir haben keine Zeit mehr dazu, es nicht zu probieren, wir müssen alternatives Handeln wagen.
Mit den Worten der Linken: Jetzt!
Für einen Umweltschutz der 99%
Eine historische Spurensuche
von Milo Probst
erschienen im September 2021 in der Edition Nautilus
[ Rezensionsexemplar ]
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