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"Schon komisch, was für einen Unterschied so ein Schwanz macht"

Was Virginia Woolf beim Anblick einer schwanzlosen Katze auffällt, gilt auch für die Literatur. Diesem Unterschied und der Frage nach Frauen und Literatur geht sie in ihrem Essay Ein Zimmer für sich allein aus dem Jahr 1929 auf den Grund. 



 

Wer sich näher mit Literatur auseinandersetzt wird wahrscheinlich schon gemerkt haben, dass diese von Männern dominiert ist. Wieso wird so viel fiktives über Frauen geschrieben aber kaum etwas über ihr wirkliches Leben? Wo ist die Geschichte von Frauen und wo sind ihre eigenen Perspektiven? Wo sind die schreibenden Frauen und woher kommt ihr Fehlen?

 

"All ihre Lebensumstände, all ihre Instinkte standen dem Geisteszustand, den es braucht, um etwas aus dem Verstand heraus in die die Welt zu bringen, feindlich gegenüber."

  

Woolf macht die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Literaturproduktion von Männern und Frauen deutlich. Wenn eine Frau überhaupt den Mut aufbrachte, aus der Rollenkomformität auszusteigen und zu schreiben, wurde sie von allen Seiten mit Missgunst und Hass konfrontiert. Nicht unbedingt das beste Umfeld, um frei kreativ zu werden. Dazu kommt der Mangel an Bildung, finanziellen Mitteln und Ruhe, der Mangel an einem Zimmer für sich allein. 

 

Ihre These lautet: "Eine Frau muss Geld und einen Raum haben, um Literatur zu verfassen" Damit macht sie auch ganz klar auf die materiellen Bedingungen aufmerksam, die da sein müssen, um kreativ und frei arbeiten zu können. Erst aus diesen materiellen Sicherheit kann sich geistige Freiheit entwickelt und daraus Poesie.

 

Mittlerweile ist das Geschlechterverhältnis in der Literaturbranche zwar einigermaßen ausgeglichen, aber was uns bis heute fehlt ist eine wirkliche Tradition schreibender Frauen. Während ich über das Leben von Goethe, Dostojewski, Kafka mehr herausfinden kann, als ich überhaupt wissen will, mangelt es einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Schreiben und Leben von Frauen. Und auch die Wertunterschiede, die zwischen den Geschlechtern gemacht wurden und werden, übertragen sich natürliche auf die Bewertung der Literatur. Woher kommt der Hass der Männer auf schreibende Frauen, haben sie Angst plötzlich etwas von ihrer Macht teilen zu müssen?

 

Woolf spricht hier immer ganz klar getrennt von Frauen und Männern, aber dann kommt sie auf einen Gedanken, der die Trennung der Geschlechter auflöst. Das Ideal ist der androgyne Geist, in dem sich männliche und weibliche miteinander vermischen und dadurch das Geschlecht als Kategorie obsolet erscheint.

 

Die Denke von den Geschlechtern als Gegensätze im Geiste ist mittlerweile ganz klar überholt, dennoch finde ich den Gedanken in Bezug auf Literatur interessant. Dass Bücher gelesen und geschrieben werden können ohne, dass das Geschlecht eine Rolle dabei spielen muss, gerade was die Rezeption und Bewertung betrifft, wäre ein kleines Träumchen. 

 

Virginia Woolf gilt ja als der Klassiker der Frauenbewegung und wird zahlreich rezipiert, daher hatte ich ihn mir den Essay etwas zugänglicher und klar pointierte vorgestellt. Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich mich an den Stil gewöhnt habe. Stellenweise schweift Woolf gedanklich sehr weit aus und nimmt uns mit in ihre Gedankenexperimente. Manchmal ist er wieder sehr klar und sachlich, dann kommt sie wieder mit spielerischer Ironie daher. 

 

Fazit: 4/5 ⭐️

Da dieses Buch schon lange auf meinen SUB lag, bin ich froh es jetzt auch mal endlich gelesen zu haben. Ich finde einige gute und wichtige Gedanken darin und kann mir vorstellen, wie bedeutend das damals für die Frauenbewegung der 1920er und die Literaturbranche war. Die vielen Ausschweifungen und die Doppeldeutigkeit in Woolfs Sprache eröffnen einen breiten und interessantem Spielraum für Interpretationen.

Ich kann es auf jeden für alle empfehlen, die etwas zu "Frauen und Literatur" lesen möchten oder Lust auf einen feministischen Klassiker haben.


Virgina Woolf

Ein Zimmer für sich allein

 

 übersetzt von Christel Kröning

erschienen 2020 im Anaconda Verlag 

 

Vielen Dank an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!

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