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Hexen - Die unbesiegte Macht der Frauen

Die Hexenverfolgung in Europa ist ein dunkles Kapitel der Menschheit. Ein Ereignis, das gerne dem rückständigen Mittelalter zugerechnet, verschwiegen und relativiert wird.

 

Die Figur der Hexe erscheint uns heute als Halloween Kostüm, Disney-Figur, in Serien und Filmen oder als Inspiration in spirituellen Bewegungen. Wie so oft wird auch hier der gewaltvolle Teil einer Geschichte ausgeblendet und Profit aus einer Diskriminierung geschlagen.

 

Aber die Hexenverfolgung war ein gewaltvoller Krieg, der sich überwiegend gegen Frauen richtete und seine Folgen sind noch bis heute spürbar.

 

Mona Chollet macht diese bis heute wirkenden Machtverhältnisse sichtbar und betrachtet den Zusammenhang zwischen der Unterdrückung von Frauen damals und heute. Ihr gelingt es dabei auch ein positives Bild der Hexe zu zeichnen, die uns heute als Vorbild im Feminismus dienen kann.



Die Geschichte der Hexenverfolgung

Die Hochphase der Hexenverfolgung in Europa war nicht das Mittelalter, wie irrtümlicherweise häufig angenommen wird, sondern die frühe Neuzeit von 1450 bis 1750. Schätzungsweise wurden dabei 40000 bis 60000 Opfer einer Hinrichtung, wovon ein Großteil (ca. 3/4) Frauen waren, die meist unverheiratet, kinderlose und/oder alt waren.

 

Den Hexen wurden vorgeworfen, das sie im Bunde mit dem Teufel stünden und schädliche Zauberei praktizieren würden. Sie dienten in einer krisenreichen Zeit, die von Angst und Not geprägt war als Sündenbock für Krankheitswellen der Pest, Wetterextreme und Kriege.

 

Es gibt verschiedene Theorien, wie genau sich der Hexenglaube so verbreiten und die Verfolgung ein solches Ausmaß annehmen konnte und inwiefern Kirche, Staat und das Bürgertum in einem Wechselspiel dazu beitrugen. Zu den Hintergründen zählten etwa: Interesse am materiellen Besitz, Nachbarschaftsstreit, Hexentheoretiker (Heinrich Kramers Hexenhammer), Verbreitung der christlichen Dämonologie, Buchdruck, Rechtssystem, Legalisierung der Folter.

 

Leider gibt es bis heute noch in manchen Teilen der Welt gewaltvolle Hexenverfolgungen. Ein Grund mehr, diesen Teil der Geschichte nicht aus unserem kollektiven Gedächtnis auszublenden.

 

Die moderne Hexe

Mona Chollet sucht nach den Eigenschaften und Verhaltensweisen, für die damals Frauen auf dem Scheiterhaufen landeten und stellt Parallelen zu den gegenwärtigen Begrenzungen von und Anforderungen an Frauen im Patriarchat her. Was haben zeitgenössische Feministinnen mit den damaligen Hexen gemeinsam, welche alten Vorurteile und Stereotype stecken bis heute noch in unserem Denken?

 

Die Hexenverfolgung diente maßgeblich der Unterdrückung von Frauen, die sich gegen das vorherrschende Bild von Frauen lehnten, so Chollets These. Diese negativen Bilder schlummern noch immer in unserem modernen Frauenbild und sorgen für Stereotype, Einschränkungen und Gewalt und erhalten diese aufrecht.

 

Unverheiratete Frauen

Sie verkörpern Unabhängigkeit und Selbstständigkeit und das macht sie gefährlich. Hatten die Männer etwa Angst vor der Macht der Frauen und versuchten sie ihnen deshalb entziehen?

Die Drohung für jegliches Verhalten verurteilt zu werden, wirkte einschüchternd auf Frauen und schränkt sie in ihrem Handlungsspielraum ein.

 

🐀 Fun Fact:

Noch heute gilt für Single-Frauen der Stereotyp der einsamen alten Katzenlady. Katzen galten damals als Verbündete der Hexen und wurden deshalb ausgerottet. Der Mangel an Katzen in den Städten, führte aber dazu, dass es mehr Ratten gab und die Pest sich weiter verbreitete, wofür dann wiederum die Hexen verantwortlich gemacht wurden.

 

Kinderlose Frauen

Sich der Mutterschaft zu entziehen und ein Recht auf Kontrolle über die eigene Gebärmutter einzufordern, ist damals wie heute ein emanzipatorischer Akt, der noch immer auf Gegenwind stößt. Habammen und Heilerinnen wurden für ihr Wissen über Verhütung und Abtreibung als Kindsmörderinnen beschuldigt, bis sie gänzlich von Männern aus der Medizin ausgeschlossen wurden.

 

Alte Frauen

In einer Welt, die den Wert einer Frau an ihrer Reproduktionsfähigkeit und ihrer Übereinstimmung mit dem gängigen Schönheitsideal misst, ist das Alter eine Widerspenstigkeit. Alten Frauen wird ihr Platz in der Welt nicht zugesprochen und auch das Tabu der weiblichen Sexualität ist hier nochmal potenziert.

 

Die Hexe als Galionsfigur des Feminismus?

 

"Die Hexe verkörpert die von jeglicher Dominanz, von jeglicher Begrenzung befreite Frau; sie ist ein anzustrebendes Ideal, sie weist den Weg." (S. 14)

 

Mona Chollet ist nicht die erste Feministin, die sich die Hexe als Vorbild nimmt. So haben dies auch schon andere feministische Gruppen gemacht, wie die anfangs zitierte "WITCH" der 1970er Jahre.

 

Die Attribute, die mit der Hexe in Verbindung gebracht werden, gelten noch bis heute als Abweichungen von der gesellschaftlichen Weiblichkeitsnorm. Das Single-Dasein, die Kinderlosigkeit, das Alter, die vollkommene Unabhängigkeit und die eigene Kontrolle über die Gestaltung von Körper und Leben, die eigene Stimme erheben und in der Öffentlichkeit stehen. Alles Faktoren, mit denen Frauen gewissermaßen anecken und wofür sie auch heute noch als Hexe beschimpft werden. Tatsächlichen liegen witch und bitch morphologisch nicht weit auseinander....

 

Kritik

An vielen Punkte hat Chollet Brücken zwischen der Misogynie der Vergangenheit und der Gegenwart hergestellt, auch wenn manche davon in ihrer Kohärenz etwas wackeln. Die Annahme, dass es sich bei der Hexenverfolgung um eine von mächtigen Männern geplante Zerstörung von Frauen und der Unterdrückung ihrer Macht handle, gilt als Verschwörungstheorie. So gibt es auch in Chollets Ausführungen immer wieder Stellen, an denen Zusammenhänge hergestellt wurden, an denen ich etwas stutzig wurde. Gerade im letzten Kapitel bei dem es um den Ausschluss von Frauen aus der Medizin geht und wie Männer damit die Macht über die Wissenschaft und den weiblichen Körper erlangen wollten, wird es mir zu unwissenschaftlich und dadurch stellenweise auch etwas schwurbelig. Das ist sehr schade, weil diese großen Lücken andere gute Argumente in der Gesamtheit wiederum abschwächen. Zudem wird nicht ganz ersichtlich was die Autorin alles unter der Zuordnung als Frauen fasst, trans und nicht-binäre Personen werden nicht erwähnt.

 

Fazit

Aus meiner Begeisterung für Feminismus und einen Fable für den Hexenkult, waren meine Erwartungen an dieses Buch ziemlich hoch. Ich habe durch ein Seminar an der Uni schon ein gewisses Vorwissen, auch was die Quellenlage angeht, entsprechend habe ich mich an der mangelnden Wissenschaftlichkeit auch etwas gestört. Ich habe aber allergrößten Respekt davor, dass Chollet sich in dieses komplexe Forschungsfeld gewagt hat und damit einen immensen Aktualitätsbezug hergestellt hat.

 

Der Zusammenhang, den die Autorin Mona Chollet hier zwischen der Hexenverfolgung und den Anforderungen und Stereotypen, die gegenwärtig auf Frauen lasten, herstellt, wird in ihrem Buch mehr als deutlich. Durch ihre teilweise gewagten Vergleiche und Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart eröffnet sich großes Potenzial, für Diskussionen und Forschungen über den Zusammenhang von Hexenverfolgung und Feminismus.


Hexen - Die unbesiegte Macht der Frauen

 

von der Autorin Mona Chollet

aus dem Französischen übersetzt von Birgit Althaler

erschienen 2020 in der Edition Nautilus

(selbstgekauft / unbezahlte Werbung)

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