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Body Politics - Melodie Michelberger

„Der Wunsch weniger zu sein, leichter und zarter, war auch der Wunsch, liebenswerter zu sein. Dabei steckte all diese Liebe, nach der ich mich so sehnte, schon immer in mir.“


 

Melodie Michelberger erzählt in „Body Politics“ ihre Geschichte.

Sie erzählt, wie sie früh lernte, dass ihr Körper nur gut ist, wenn er einer bestimmten Norm entspricht, wie sie ihren Lebensinhalt viel zu lange nur darauf richtete, eine bestimmte Körperform zu halten und sich damit krank machte, wie sie irgendwann an einen Wendepunkt kam, wie sie anfing die gesellschaftlichen Körpernormen und Ideale zu hinterfragen, die eigene internalisierte Fettfeindlichkeit erkannte und wie sie einen anderen Weg in Richtung Selbstliebe einschlug, den sie bis heute erfolgreich bestreitet.

 

Disclaimer

Ich bin schlank, ich bin weiß, mein Körper geht privilegiert durch diese Welt. Ich kann nicht für dick_fette Menschen sprechen, ich erlebe nicht dieselbe Art von alltäglicher Diskriminierung wie sie. Ich verwende die Bezeichnung "dick_fett", die von Fettaktivist:innen selbst gewählt wurde und alle Körper einschließt, die sich außerhalb der Schlankheitsnorm befinden

 

Leben in der Diätkultur

Nach Melodie Michelberger leben wir alle in einer Diätkultur, das prägt unser Selbstbild und unsere Beziehung zu unserem Körper enorm. Ein schlanker Körper wird als schön, gesund und diszipliniert gelesen, während ein dick-fetter Körper als hässlich, ungesund und faul gilt. Körperfett als Beweis für Willensschwäche. Wenn ich vor dem Spiegel stehe und mich dick "fühle", was sagt das über mein Verständnis von dick-sein aus? Was steckt wirklich hinter diesem Gefühl und wieso ist es so negativ assoziiert? 

 

Ich wage zu behaupten, dass kein:e von uns frei von den Prägungen der Diätkultur ist. "Pass auf, dass du nicht zu dick wirst!", "Du solltest nicht so viel essen, sonst wirst du noch dick." Mit solchen Aussagen wurde mir schon in frühsten Kindheit klar gemacht, dass mein Körper über meinen Wert mitbestimmt, dass schlank-sein erstrebenswert ist und dick-sein um jeden Preis vermieden werden solle. Auch ich habe Fettfeindlichkeit internalisiert, auch ich habe kein gesundes Verhältnis zu meinem Körper und meinem Essverhalten. Das zu erkennen, ist der erste wichtige Schritt, aber das abzubauen und ein neues Selbstbild zu etablieren, ist der nächste Schritt und der ist nochmal viel schwieriger.

 

Body-Neutrality statt Body-Positivity

Es geht Melodie nicht darum, den eigenen Körper jeden Tag und in jeder Form zu lieben, sondern anzunehmen, dass er sein darf, ohne unsere Identität und unseren Wert zu bestimmen. Daher sieht Melodie auch die gegenwärtige Body-Positivity-Bewegung kritisch, denn auch Positivität kann schädlich und toxisch sein. Gegenwärtig dominieren unter dem Hashtag weiße schlanke Körper, die sich in entspannten Posen mit kleinen Rollen und Dellen präsentieren. Aber dick_fette Menschen können ihren Körper nicht mit einem Einatmen der Norm anpassen, sie haben diese vermeintlichen "Makel" immer. Außerdem wurde die Body-Positivity-Bewegung von schwarzen dick-fetten Frauen gegründet und sollte nicht unreflektiert von weißen schlanken Körpern eingenommen werden.

 

In dieser politischen Bewegung geht es auch weniger um ein individuelles persönliches Problem, sondern darum, wie die Gesellschaft große Körper behandelt, wie sie alltäglich diskriminiert und ausgeschlossen werden. Das fängt bei Witzeleien und abfälligen Bemerkungen an und geht bei zu kleinen Flugzeugsitzen und fehlenden Kleidergrößen weiter. 

 

Die Diskriminierung von dick_fetten Menschen sitzt tief, sowohl gesamtgesellschaftlich als auch individuell, aber wir sind ihr nicht tatenlos ausgeliefert. Wir können damit beginnen unsere Sehgewohnheiten zu ändern, etwa indem wir auf Social Media einer Vielfalt an Körpern folgen und nicht immer nur der einen vermeintlichen weißen schlanken Norm. Melodie gibt hierzu einige Inspirationen, sie widmet ihren Vorbildern und Vorgänger:innen ein ganzes Kapitel, gibt ihnen Raum und lässt sie zu Wort kommen.

 

Fazit

"Body Politics" von Melodie Michelberger ist meiner Meinung nach ein viel zu unbekanntes Buch, dass Aufmerksamkeit im höchsten Maße verdient hat! Ein absolutes Must-Read, ganz unabhängig von der eigenen Körperform. Melodie Michelbergers Geschichte kann für dick_fette Menschen bestärkend und inspirierend sein, aber auch für alle dünnen oder schlanken Menschen, die bewusst oder unbewusst unter den Reglementierung der Diätkultur leiden. Über ihre persönliche Geschichte hinaus spricht sie die gesellschaftliche Fettfeindlichkeit, die wir alle internalisiert haben, aber auch wieder abbauen können und sie bietet dafür einige Ansätze und Inspirationen.

 

Ich habe selbst viel in diesem Buch gelernt, über meine eigenen Glaubenssätze und über meine Haltung zu meinem und anderen Körpern. Ich möchte diese Haltung ändern, was natürlich schwer ist in der gegenwärtigen Gesellschaft, aber es ist lange nicht unmöglich, Vorbilder wie Melodie beweisen das!

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